Beleuchtetes Schiffshebewerk Bild: LWL-Museen für Industriekultur / Joachim Jockschat

LWL-Industriemuseum Schiffshebewerk Henrichenburg in Waltrop

Eines der beliebtesten Ziele auf der Route der Industriekultur ist das LWL-Industriemuseum Schiffshebewerk Henrichenburg in Waltrop. Die imposante Anlage bringt selbst Technik-Muffel zum Staunen. Besonders für Kinder ist das Schiffshebewerk der Jahrhundertwende ein spannendes Ausflugsziel. Nun wurde das Schiffshebewerk Henrichenburg bei den „Hitlisten des Westens“ von den Zuschauern des WDR auf Platz 1 der beliebtesten Industriedenkmäler in NRW gewählt.

Beleuchtetes Schiffshebewerk
Bild: LWL-Museen für Industriekultur / Joachim Jockschat
Auch bei Nacht ist das Schiffshebewerk Henrichenburg ein Hingucker für die Besuchenden (Bild: LWL-Museen für Industriekultur / Joachim Jockschat)

[ruhr-guide] Das Schiffshebewerk Henrichenburg, das trotz seines Namens seltsamerweise gar nicht im Castrop-Rauxeler Stadtteil Henrichenburg, sondern in Waltrop liegt, ist eines der herausragenden Industriedenkmäler des Ruhrgebiets. 1889 erbaut, war das Hebewerk über 70 Jahre in Betrieb. Heute ist es leider nicht mehr funktionsfähig, allerdings kann man den eigentlichen Hebevorgang am Neuen Hebewerk betrachten. Zusammen mit der alten Schachtschleuse von 1914 und der neuen Schleuse von 1989 bilden das Alte sowie das Neue Schiffshebewerk den Schleusenpark Waltrop. Ein durchdachtes Museumskonzept erklärt die technischen Vorgänge anschaulich und nachvollziehbar und bringt den Besuchern auch die Lebenswelt der Binnenschiffer näher. Träger des Museums ist der Landschaftsverband Westfalen-Lippe.

Das Museum Schiffshebewerk Henrichenburg in Waltrop

Auch heute noch beeindruckt die verzierte Stahl- und Steinkonstruktion der Jahrhundertwende. In einem kleinen aber feinen Museum im ehemaligen Kessel- und Maschinenhaus erfährt der Besucher alles Wissenswerte über das Schiffshebewerk und die Binnenschifffahrt. Ein großes, begehbares Modell eines Schiff-Maschinenraums mit seinem Dampfkessel, dem Kohlebunker und der Schiffsschraube findet sich hier ebenso wie der Schreibtisch des Pumpenwärters oder eine futuristisch anmutende alte Taucherausrüstung. Das LWL-Industriemuseum Schiffshebewerk Henrichenburg in Waltrop ist liebevoll umgesetzt und auch für Kinder sehr geeignet. So begleitet die Figur des Käpt’n Henri die jungen Besucher durch die Ausstellung und erklärt auch komplizierte technische Vorgänge einfach und verständlich. Darüber hinaus können Kinder auch das Prinzip des Schiffshebewerks an einem Modell erproben. Neu hinzugekommen ist ein spannender Wasserspielplatz mit einer Rutsche, einem Floß, zwei „Tarzanschwinger“ und einer Kletterwand. An einem künstlichen Wasserlauf können Kinder mit einer Kurbel selber ein Modell des Schiffshebewerks Henrichenburg bedienen.

Museumsschiff "Franz-Christian"
Bild: LWL-Museen für Industriekultur / Annette Hudemann
Das Museumsschiff „Franz-Christian“ beim Schiffshebewerk Henrichenburg (Bild: LWL-Museen für Industriekultur / Annette Hudemann)

Sehr informativ werden in dem alten begehbaren Motorgüterschiff „Franz Christian“ die Strapazen eines Binnenschifferlebens deutlich. Hier finden sich unzählige, sehr gut aufgearbeitete Informationen zum Arbeits- und Lebensalltag auf solch einem Schiff. Kaum vorstellbar, auf welch engem Raum man dort zusammen lebte! Besonders die häufig verklärte Sicht auf die „freie“ Kindheit des Schiffernachwuchses wird hier entmystifiziert. Aber auch alltägliche Probleme werden im Alten Schiffshebewerk Henrichenburg in Waltrop erläutert: woher kommt der nächste Auftrag, welche Güter wurden transportiert, wie schafft es die Schiffersfrau, innerhalb eines wenige Minuten dauernden Schleusenvorgangs, mal „eben“ einkaufen zu gehen – und vor allem: auf welch abenteuerlichen und gefährlichen Weg hat sie das Schiff verlassen?

Am Oberwasser finden sich dagegen eine alte Hellinganlage zur Schiffsreparatur sowie eine Sammlung historischer Schiffe und schwimmender Arbeitsgeräte. Regelmäßig finden im Alten Schiffshebewerk Henrichenburg auch Ausstellungen, Dia-Vorträge oder Kleinkunstveranstaltungen statt. Der Gastrobus – ein umgebauter, ehemaliger Doppeldeckerbus – lädt als Museumscafe zum Verweilen ein. Am Unterwasser werden von Ostern bis Ende Oktober Schiffstouren angeboten. Im Gebäude für Museumspädagogik finden bis zu zwei Schulklassen oder Jugendgruppen Platz.

Die Technik des Schiffshebewerks hat Meilensteine gesetzt

Das Schiffshebewerk in Henrichenburg funktionierte nach dem Auftriebsprinzip: Ein Schiff fuhr in den Trog ein und wurde dann 14 Meter gehoben oder gesenkt. Der Trog mit den Maßen von 68 Metern Länge, 8,6 Metern Breite und einer Tiefe von 2,50 Metern war – durch die von dem Auftrieb der Schwimmkörper zur Verfügung gestellte Kraft – in der Lage, Schiffe mit einem Gewicht bis zu 600 Tonnen zu heben!

Den technischen Ablauf erklärte uns Museumsleiter Herbert Niewerth: „Der wassergefüllte Trog ruhte auf 5 Schwimmern, Hohlzylindern, die in wassergefüllten Brunnen von 33,5 m Tiefe schwammen. Ihr Auftrieb entsprach dem gemeinsamen Gewicht aus Trog, Trogwasser und Schiff. Wurde die Wassermenge des Trogs vergrößert oder verringert, wurde das Gleichgewicht „gestört“, dann senkte oder hob sich der Trog. Vier senkrecht stehende Schraubenspindeln, die sich in feststehenden Muttern drehten, gewährleisteten eine jederzeit kontrollierte Bewegung und Lage des Trogs. Angetrieben bzw. gebremst wurden die Spindeln von einem Elektromotor mit Bremse, der sich auf dem Hebewerk befand. Er hatte eine Leistung von 150 PS. Die Spindeln mit dem Elektromotor dienten nur dazu, den Schiffshebevorgang regulierbar und kontrolliert durchzuführen. Die Kraft des Auftriebs kam von den eisernen Hohlkörpern, die in die Brunnen eingetaucht waren. Die Auftriebskraft betrug 3100 Tonnen, genau das Gewicht von Trog, Wasser und Schiff.“

Schiffshebewerk Henrichenburg
Bild: LWL-Museen für Industriekultur / Annette Hudemann
Das Schiffshebewerk Henrichenburg hält eine spannende Geschichte zu ihrer Vergangenheit bereit (Bild: LWL-Museen für Industriekultur / Annette Hudemann)

Sogar Kaiser Wilhelm II. besuchte das Schiffshebewerk

Im Jahr 1899 war es endlich soweit: das Schiffshebewerk in Henrichenburg bei Waltrop-Oberwiese konnte seinen Betrieb aufnehmen. Sogar Kaiser Wilhelm II. war zur Einweihung angereist, nachdem es im Vorfeld zu einer Reihe von Zu- und Absagen gekommen war. Zur damaligen Zeit für die Menschen ein Ereignis unvorstellbaren Ausmaßes: Der Kaiser kommt! Ein Erlebnis, von dem Sie noch Ihren Enkeln erzählen konnten. Einen schönen Einblick in die aus heutiger Sicht seltsam erscheinende Kaiserverehrung finden Sie in auch Heinrich Manns „Der Untertan“ – aber dies nur am Rande.

Das Ruhrgebiet mit seinen Hütten- und Stahlwerken benötigte damals eine verkehrsgünstige Anbindung an die Nordsee und so wurde auf Betreiben des Kaisers der Dortmund-Ems-Kanal gebaut. Bekanntermaßen war Willhelm II. ein großer Freund der Schifffahrt – besonders von Kriegsschiffen – und auch dem Kanalbau sehr zugetan. So stammt von ihm der Ausspruch „Deutschlands Zukunft liegt auf dem Wasser“, wobei er da wohl eher an sein Flottenbauprojekt gedacht haben mag. Auch soll er bei der Einweihung gewitzelt haben, dass das Alte Schiffshebewerk Henrichenburg in Waltrop beinahe seinen Panzerkreuzer heben könnte. Interessant auch, dass eine historische Wirtschaft am Schiffshebewerk „Zur deutschen Flotte“ hieß.

14 Meter Höhenunterschied

Da der Dortmund-Ems-Kanal auf seinem Weg zum Meer und auf einer Länge von 225 Kilometern einen Höhenunterschied von 70 Metern überwinden muss, wurden 17 Kanalstufen benötigt. Zuerst war hier in Waltrop-Oberwiese die Errichtung einer Schleuse geplant, die allerdings einen zu großen Wasserverlust für den Kanal bedeutet hätte, der an dieser Stelle über keinen natürlichen Zufluss verfügt.

Somit wurde das heutige Alte Schiffshebewerk errichtet, um die 14 Höhenmeter zu überwinden. Eine einmalige und bewundernswerte Ingenieursleistung, die bis heute Ihre Faszination nicht eingebüßt hat. Das Alte Schiffshebewerk in Waltrop war bis 1970 in Betrieb, obwohl schon im Jahr 1962 das neue Hebewerk – welches größere Schiffe fassen konnte – den Betrieb aufgenommen hatte. Nach seiner Stillegung verfielen Gebäude und Stahlkonstruktionen, bis der Landschaftsverband Westfalen Lippe sich entschloss, das Hebewerk zu restaurieren und als einmaliges Dokument der Industriekultur zu erhalten. Auf Betreiben eines Waltroper Vereins zur Heimatgeschichte wurde das Alte Schiffshebewerk Henrichenburg in Waltrop zuvor im Jahr 1979 unter Denkmalschutz gestellt.


LWL-Industriemuseum Schiffshebewerk Henrichenburg in Waltrop

Am Hebewerk 26
45731 Waltrop
02363-97070

Öffnungszeiten Altes Schiffshebewerk Henrichenburg:
Di bis So (+ Feiertage) 10-18 Uhr
Einlass bis 17.30 Uhr

Eintrittspreise Altes Schiffshebewerk Henrichenburg:

Erwachsene: 8 Euro
Kinder/Schüler: frei
Ermäßigt: 4 Euro
Gruppen ab 16 Personen: 7 Euro

Weitere Infos gibt es unter:
www.schiffshebewerk-henrichenburg.de

(Stand: Juli 2024, Angaben ohne Gewähr)

Foto 1: LWL-Museen für Industriekultur / Joachim Jockschat
Foto 2 und 3: LWL-Museen für Industriekultur / Annette Hudemann

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